Im Trend: Rolfing, Feldenkrais, Craniosacral & Co.

Gemeinsam auf unterschiedlichen Wegen zu neuem Körperbewusstsein

Körpertherapien liegen im Trend: Sei es die Osteopathie, die Feldenkrais- Methode, das Rolfing, oder die Craniosacrale Therapie. Keine Volkshoch­schule, in der heute nicht mindestens ein Feldenkrais-Kurs angeboten wird. Kaum eine Illustrierte, die darauf verzichtet, ihren Lesern von neuen alternativen Therapieformen – entweder aus dem fernen Osten oder aus dem modischen Kalifornien – zu berichten. Je offenkundiger die Grenzen rein schulmedizinischer etablierter Methoden werden, desto häufiger hört man von solchen alternativen, sich auf den ganzen Menschen einlassender Behandlungsformen.

 

Von wahren Berührungs-Künstlern ist gelegentlich die Rede, die ohne Einsatz jeglicher medizinisch-technischer Geräte nur mit einfühlsamer Hand tief sitzende Verspannungen lösen. Einige dieser Therapeuten beanspruchen für sich, sogar eine bessere Alternative zu Bandscheiben-Operationen und anderen orthopädischen Maßnamen zu bieten, wieder andere orientieren sich eher im Wellness-Bereich und versprechen ein allgemein besseres Wohlbefinden.

 

Mit Sicherheit ist auch so mancher Wildwuchs dabei, von selbsternannten Star -Therapeuten oder solchen, die -  nach einem erleuchtenden Wochenend-Workshop mit einem beeindruckenden Zertifikat versehen -begeistert auf die Welt losgelassen wurden. Da ist es für den Laien oft schwer, sich im Dschungel der Körpertherapien zurecht zu finden. Hier ein kleiner Leitfaden zur Orientierung:

 

Die Feldenkrais Methode, begründet von dem israelischen Physiker
Dr. Moshe Feldenkrais, arbeitet mit ausgeklügelten und meist sehr sanften Bewegungen des Skeletts, die ein Neu-Lernen im Nervensystem bewirken sollen. Deshalb betonen die Feldenkrais-Pädagogen, dass es sich bei dieser Methode nicht um eine Therapie handelt (im Sinne einer Arzt-Patienten-Rollenverteilung), sondern um ein ganzheitliches Lernverfahren.

 

Unter dem Namen „Bewusstheit durch Bewegung“ wird die Feldenkrais-Methode als Gruppen-Anwendung angeboten. Typische Szene: Erwachsene Menschen liegen auf dem Boden und experimentieren damit, die müheloseste Art heraus zu finden, um sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen. Beginnt die Drehbewegung mit dem Kopf oder mit dem Becken? Und wie ist es, wenn die Bewegung mit den Augen beginnt? Nicht selten entdeckt man dann beispielsweise beim Ausparken nach dem Kurs, dass der Wendekreis des Kopfes viel freier geworden ist. Und das ohne jede Dehnungsarbeit oder sonstige schweißtreibende Anstrengung.

 

Zusätzlich zu den Gruppenlektionen gibt es auch Einzelsitzungen in „Funktionaler Integration“. Hier macht man meist selbst keine aktiven Bewegungen, sondern unserem Nervensystem werden durch Anfassen und Bewegen seitens des Lehrers neue Bewegungs-Zusammenhänge erkennbar gemacht. Ähnlich wie bei der Homöopathie gilt hierbei das Prinzip „Weniger ist mehr“: je feiner eine Bewegung, umso größer ihre Wirksamkeit. Daher ist die Feldenkrais-Methode ganz besonders für solche Menschen geeignet, die mit leistungsorientierter Fitness oder Sport ihre Schwierigkeiten haben. Normale bequeme Straßen- oder Hausbekleidung genügt also. Die Jogging-Pulsuhr und das Aerobic-Mützchen im Piraten-Look können hingegen getrost zu Hause gelassen werden.

 

Ähnlich behutsam geht es meist bei der Osteopathie her, die aus den USA kommend eine Alternative zur deutschen Chiropraktik (Einrenken) und Orthopädie darstellen soll. Schon nach wenigen Minuten einer solchen Behandlung wird einem klar, hier ist man in kundigen Händen. Da verblasst selbst mancher hartgesottene Mediziner vor Neid, wie viel anatomisches Wissen hinter solchen geschulten Händen steckt: Jeder einzelne Knochen, jeder Muskel und jedes Band wird in seiner Form er­kannt. Wirbel werden sanft an ihren Platz zurecht gerückt und auch so manches innere Organ zu einer harmonischeren Funktionsweise „überredet“.

 

Besonders geeignet – und beliebt – ist  die Osteopathie daher bei Menschen, die es einerseits leid sind, alles selber zu machen, und andererseits nach einer Alternative zu orthopädischen Behandlungen oder stereotypen Knet-Massagen suchen. Chronische Nacken- und Rücken-Beschwerdler gelten als besonders erfolgreiche Kandidaten für eine osteopathische Behandlung. Noch ist der Begriff „Osteopath“ in Deutschland allerdings nicht geschützt. Es ist deshalb wichtig, sich zu versichern, dass die Behandlerin oder der Behandler die meist 5- bis
6-jährige Ausbildung hinter sich hat, die zum „Diplom of Osteopathy“ führt (erkennbar an einem D.O. hinter dem Namen).

 

Das Rolfing hat nichts mit Rollen oder Raufen zu tun, sondern ist nach seiner amerikanischen Begründerin Dr. Ida Rolf benannt, die es aus Elementen von Osteopathie und Yoga weiter entwickelt hat. Wenn man einer solchen Rolfing-Behandlung zuschaut – oder besser noch am eige­nen Leib erlebt – versteht man, warum diese Methode auch als „sanfte Bildhauerei am menschlichen Körper“ beschrieben wird. Nach einer aus­führlichen Begutachtung des Körpers arbeitet der Rolfer oder die Rolferin in einer Serie von meist 10 systematisch aufeinander aufbauenden Einzelsitzungen daran, den Körper wieder mehr „ins Lot“ zu bringen. Mittels langsam schmelzenden Drucks von einfühlsamen Händen und Ellbogen des Behandlers werden oft Jahrzehnte-alte Verklebungen und Verkürzungen gelöst, die sich in den bindegewebigen Muskelhüllen ver­festigt haben.

 

Beindruckend ist die Tiefe der Behandlungsgriffe: Da werden Stellen mit einer Intensität berührt, die bis an einen „Wohlweh“-Schmerz reichen kann. Manche möchten ihn nicht mehr missen, diesen Rolfing-Touch, diese Art von tiefer Berührung, die genauso eindringlich wie einfühlsam ist. Vorteil: Schon nach wenigen Sitzungen sind die Veränderungen im inneren Körpergefühl und in der alltäglichen Körperhaltung meist offensichtlich. Kleine individuelle Hausaufgaben für den Alltag werden angeboten, um dafür zu sorgen, dass diese Veränderungen auch dauerhaft sind. Wem es also nicht nur um eine momentane Entspannung oder Wohlfühl-Pause geht, sondern um bleibende Verbesserungen der Körper­haltung, für den bietet sich die tiefgreifendere Rolfing-Arbeit als erste Wahl an. Alle in Deutschland aktiven Rolfer haben eine mehrjährige professionelle Ausbildung hinter sich und werden als Praktizierende nur mit Zertifikat des durch Ida Rolf gegründeten Rolf Institutes zugelassen.

 

Craniosacrale Behandlung: Das klingt fast schon etwas heilig ...

Richtig ist, dass hier mit superfeinen Eigenbewegungen der einzelnen Knochen des Schädels (lateinisch Kranium) sowie des Kreuzbeines (Sakrum) gearbeitet wird, die sich über die Rückenmarksflüssigkeit auf den ganzen Körper ausbreiten. Die Hände der Therapeuten arbeiten fast nur im „Flüsterton“, also mit sehr behutsamen und langsamen Berührungen.

 

Wie keine andere Methode eignet sich diese Therapie für eine Tiefen­entspannung des ganzen Menschen. Fast automatisch verfällt man bei der Behandlung in eine erholsame Entspannungs-Trance, bei der man nicht nur Zeit und Raum vergisst, sondern sich oft auch tiefsitzende Ver­spannungen in Nacken-, Kiefer- und Beckenmuskeln in Wohlgefallen auflösen. Unglaublich, wie erholt man als vormals stressgeplagter und abgehetzter Bürger nach der Sitzung auf die Strasse geht oder verwundert in den Spiegel schaut: “So entspannt war ich schon lange nicht mehr!”.

 

Ursprünglich war die craniosacrale Behandlung in den USA nur fortge­schrittenen Osteopathen vorbehalten, die damit besonders bei Kleinkindern sowie bei verschiedenen Kopfschmerzstörungen beachtliche Erfolge erzielten. Heute gibt es hingegen bereits Wochenend- oder Video­kurse zum Selbst-Lernen. Deshalb Vorsicht bei der Therapeuten-Wahl. Einige Behandler kaschieren mit Räucherstäbchen-Duft und Säusel-Musik über ihr mangelndes Fachwissen hinweg; bei anderen hingegen – und das ist glücklicherweise die Mehrheit – findet man sowohl die hierfür nötige fachliche Ausbildung und Erfahrung als auch eine wohltuende menschliche Reife.

 

Wie findet man da den richtigen Therapeuten für sich?
Hier ein paar Tipps und Anregungen: Der Faktor Mensch ist oft wichtiger als die Wahl der richtigen Methode. Um sich tief berühren zu lassen, muss Vertrauen vorhanden sein. Ähnlich wie der „Pferdeflüsterer“ im gleichnamigen Film, mag ein guter Körpertherapeut zwar nicht immer gleich auf den allerersten Blick vertraut und sympathisch erscheinen. Er oder sie sollte jedoch Geduld haben, und die Sprache des Körpers verstehen, so dass er schon nach wenigen Berührungen signalisiert:
„Hier versteht mich jemand. Von diesen Händen bin ich bereit, mich leiten zu lassen.“

 

Deshalb sollte man auch unbedingt auf eine erste Ausprobier-Sitzung bestehen. Dies ist heute allgemein üblich. Viele der seriösen Körper­therapeuten empfehlen auch von sich aus eine solche Kennenlern-Sitzung, um so auch von Behandler-Seite her feststellen zu können, ob man bei dieser Methode und diesem Behandler in den richtigen Händen ist; und falls ja, welche Zielvorstellungen dann realistisch sind. Mit anderen Worten: welche körperlichen oder seelischen Veränderungen von weiteren Sitzungen erhofft werden dürfen.

 

Egal, ob Feldenkrais-Methode, Craniosacral oder Rolfing, eines haben diese modernen Körpertherapien alle gemeinsam: Sie fördern ein freundlicheres Verhältnis zum eigenen Körper. Anders als beim Sport und konventioneller Physiotherapie geht es weniger um eine Maximierung des äußeren Leistungsverhaltens des Körpers, sondern um eine bessere Eigenregulation von innen (Stichwort „Körperintelligenz“), verbunden mit einer Förderung der eigenen Körperwahrnehmung.
Der zeitgenössische Denker Ken Wilber beschrieb unseren Nachholbedarf auf dieser Ebene einmal sehr treffend: “Einige von uns haben den Verstand verloren, aber die meisten von uns haben ihren Körper verloren.”